22.02.2022
Die E/E-Architektur von MAN Trucks nutzt eine zentrale Steuereinheit. Sie setzt schon heute Maßstäbe bei der Digitalisierung und ist die Basis für alle Fahrzeug-Generationen ab 2023/24.
Das strategische Ziel ist ebenso klar wie ambitioniert: Als „Smart Innovator“ will MAN den ersten voll vernetzten Zero-Emission-Truck auf den Markt bringen, der keinen Fahrer mehr braucht.
Bis dahin vergehen nur noch wenige Jahre. Kein Wunder also, dass schon in der aktuellen Truck-Generation von MAN jede Menge Computing-Power steckt, die fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme wie MAN CruiseAssist oder den Abbiegeassistenten sowie die Vernetzung der Fahrzeuge mit der Cloud ermöglicht. Maßstäbe setzt aber nicht nur die schiere Rechenleistung – wegweisend ist auch die innovative Organisation von Hard- und Software, „E/E-Architektur“ genannt.
In den meisten Pkws und Trucks ist sie heute dezentral aufgebaut. Die Rechenleistung und alle Software-Funktionen sind auf Dutzende kleine Computer – „Steuergeräte“ genannt – verteilt, die über den CAN-Bus (Controller Area Network) miteinander kommunizieren. „Das ist ungefähr so, als würde man für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationen, Internetbrowser und E-Mail-Programm jeweils einen eigenen Computer einsetzen“, erklärt Stefan Riegl, Hauptabteilungsleiter Funktions- und Softwareentwicklung bei MAN. „Die Netzwerkstruktur ist wegen der permanenten Kommunikation der Steuergeräte sehr komplex.“
Um die Struktur zu vereinfachen, orientieren sich manche Hersteller bei ihrer E/E-Architektur an den vier Fahrzeugdomänen Chassis, Powertrain, Body und Fahrerassistenz. MAN ist noch einen Schritt weiter gegangen und setzt seit der neuen Fahrzeug-Generation auf eine zentrale E/E-Architektur. Fast alle Funktionen eines Trucks laufen auf einem einzigen Computer, dem „Central Vehicle Manager“ (CVM). Seine Hardware ist besonders leistungsfähig, und das Echtzeit-Betriebssystem MAN OS 2.0 sorgt dafür, dass zeitkritische Funktionen garantiert schnell genug ausgeführt werden. „Durch diesen zentralen Ansatz sind alle Daten und Funktionen an einem Ort“, erklärt Riegl.
Neben dem CVM als Gehirn haben auch Trucks Sinnesorgane und Muskeln – in diesem Fall Sensoren wie Radar und Aktuatoren wie Elektromotoren. Sie sind an spezielle I/O-Module angeschlossen und über den CAN-Bus mit dem Zentralrechner verbunden. „Je nach Fahrzeugausstattung werden mehr oder weniger davon verbaut“, berichtet Riegl. „Dadurch sind die Trucks sehr einfach skalierbar.“
Die Leistungsfähigkeit des CVM ist von Generation zu Generation immer weiter gestiegen. Heute laufen auf ihm etwa 5.000 Funktionen, beim Vorgänger war es nur rund ein Viertel. Und auch in Zukunft wird er schrittweise verbessert: Im Modelljahr 2023/24 verdoppelt sich seine Rechenleistung, zudem können mehr I/O-Module an ihn angeschlossen werden. Drei Jahre später ist ein großer Sprung geplant: Dann wird der CVM neben einem konventionellen Prozessor auch eine GPU (Graphic Processor Unit) erhalten.
Als zweite Gehirnhälfte kommt im Modelljahr 2025 noch der „Automation Domain Controller“ (ADC) in alle MAN Trucks, die autonom fahren können. Seine Hardware ist für künstliche Intelligenz (KI) optimiert – die Voraussetzung dafür, dass die Fahrzeuge auch ohne einen Menschen am Steuer unterwegs sein können. Und falls es unterwegs beim ADC zu Problemen kommen sollte, übernimmt der CVM das Kommando und bringt den Truck in einen stabilen Zustand. So sorgen zwei parallele Systeme für maximale Sicherheit.
Text: Christian Buck
Fotos: GettyImages/making_ultimate | Niko Wilkesmann (Grafik)