09.11.2020
Die Idylle täuscht: Jede Tour zum Einsammeln der Bergbauernmilch ist ein Wagnis. Steile Anstiege, enge Schotterstraßen, 1.600 Höhenmeter und 15.000 Liter Milch erwarten den Fahrer. Zum Glück kann er sich beim Rangieren am Abgrund auf seinen Lkw verlassen. Der MAN TGS 26.500 mit HydroDrive ist seine Lebensversicherung.
Höhenmeter um Höhenmeter schraubt sich der MAN TGS 26.500 der Molkerei Berchtesgadener Land auf dem schmalen Schotterweg Richtung Kitzbüheler Horn. Etwas unterhalb des markanten Berggipfels sind die Kühe von Landwirt Thomas Bachler zu dieser Zeit bereits wieder im Stall. „Denen is’ es tagsüber viel zu heiß, spätestens um 10 Uhr wollen’s wieder rein, da stehn‘s schon Schlange“, erklärt der vierfache Familienvater mit Tiroler Akzent. Um 4.30 Uhr hat er mit seiner Frau Uschi die Kühe gemolken, damit die Tiere spätestens um 6 Uhr auf der Almweide stehen: die kühle Morgenluft in den Bergen ist das Wohlfühlklima für die Milchkühe auf 1.200 Höhenmeter.
Roland Aicher hingegen trifft mit seinem „Almtruck“ direkt um 12 Uhr mittags auf der Bergweide mit den sagenhaften Ausblicken zum Wilden Kaiser bis hin zum Watzmann ein. Weder Mittagshitze noch die anspruchsvollste Tour der gesamten Milchabholung der Genossenschaftsmolkerei, die über die bayerische Gemeinde Reit im Winkl über die österreichische Grenze zu den Almen nach Tirol führt, bringen den „Milli-Fahrer“ ins Schwitzen. Drei Almen erwarten Aicher auf seiner Tour, auf der er insgesamt rund 15.000 Liter Milch einsammelt. Immer am Ende der Runde stehen die Almfahrten an. Das hat die Molkerei Berchtesgadener Land im Tourenplan bewusst festgelegt, um jeglichen Zeitdruck von ihren Milchwagenfahrern zu nehmen. Denn keine der drei Almen liegt unterhalb von 1.200 Höhenmetern. Jede ist auf einem anderen Berg und alle sind nur über schmale Straßen mit engen Kurven zu erreichen. Mountainbiker und Wanderer lieben die steilen Anstiege auf den Schotterstraßen, für die sie mit einem atemberaubenden Postkartenpanorama belohnt werden. Für Mensch und Maschine ist die Abholung der Bergbauern-Milch Tag für Tag eine extreme Herausforderung.
Die Hochalm von Landwirt Stefan Lindner hat schon so manchem Fahrer den Schneid abgekauft – selbst wenn er nicht am Steuer eines 500 PS starken Milchsammelwagens saß. „Aktuell sind wir drei Fahrer, die die Tour fahren“, sagt der 43-jährige Milchwagenfahrer Roland Aicher. Und das ist keine Selbstverständlichkeit: Ein weiterer Fahrer hat nach einigen Anlernfahrten die Tour abgelehnt. „Er konnte nicht mehr schlafen, wenn die Hochalm auf der Tourenliste stand. Angst und schwitzige Hände bei so einer Strecke, das bringt dann keinem was.“ Genauso sieht das auch der Geschäftsführer der Genossenschaftsmolkerei, Bernhard Pointner. Keiner muss diese Tour im alpinen Gelände fahren – das galt von Anfang an. „Wir haben letztes Jahr gemeinsam mit den Fahrern vor Ort beschlossen, die Milch der Bergbauern dort oben zu erfassen. Ohne die Zustimmung der Männer, die alle zwei Tage diese Wahnsinns-Strecke mit unserem Almtruck und der flüssigen Ladung on top bewältigen, hätten wir das nicht entschieden.“
Roland Aicher, der vorher im BMW-Rennteam gearbeitet hat, lenkt jetzt mit ganz viel Ruhe den Tanklastwagen Serpentine um Serpentine zur Hochalm. „Meistens geht sich‘s genau aus. Das geht aber nur wegen des extrem kurzen Radstands des MAN TGS.“ Und manchmal hilft selbst der nicht mehr, um die extrem enge Kurve in einem Zug durchfahren zu können. Dann rangiert Roland mit dem „Almtruck“ auf dem schmalen Schotterweg: Steigung 28 Prozent, Spielraum 40 Zentimeter. Der Blick geradeaus geht Richtung Bergmassiv vor weißblauem Himmel, der Blick nach unten auf einen grünen Abhang von sandigen Schlangenlinien durchzogen. Aicher lenkt ein: einmal, fünfmal, elfmal. Seit Mai fährt er an jedem zweiten Tag auf die Kitzbüheler Alm, die Hochalm und die Moseralm in Tirol. Er weiß auswendig, wann welche ausgesetzte Engstelle kommt, wie er einlenken muss, wie weit er zurückfahren kann, ohne in die Tiefe zu stürzen. Eine Unachtsamkeit am Berg verursacht keinen Blechschaden. Ein Fehler am Berg bedeutet den Absturz. „Ist sicherer, nicht angeschnallt zu sein, dann könnte man rausspringen“, erklärt Roland – ganz unaufgeregt nebenbei. Nervenstärke und Fahrkönnen des Milchwagenfahrers treffen auf den Alleskönner-Lkw von MAN – eine sichere Kombination auf gefährlicher Strecke.
Sicherheit ist auch Schwerpunkt-Thema des Fuhrparkleiters der Molkerei, Stefan Reiter. Knapp 40 Lastwagen, davon rund die Hälfte Milchsammelwagen, betreut er mit seinem Team. „Die Flüssiglast der Milch und die steilen Almwege zu unseren Bergbauern rauf stellen ganz besondere Anforderung an unseren Fuhrpark. Da muss einfach immer alles passen.“ Da Produktionsstandort und Heimatstandort bei „Berchtesgadener Land“ eins sind, hat das Werkstatt-Team täglich alle Trucks auf dem Hof. „Es sind aber auch alle immer im Einsatz: 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Da müssen wir immer flexibel sein“, erklärt er. Umso mehr schätzt er es, eine gute MAN-Werkstatt direkt vor Ort zu haben. Zudem gelingt dank der Digitalisierung der Fahrzeuge das Zusammenspiel von der Terminplanung des Werkstattbesuchs und pünktlicher Milchabholung immer reibungslos.
Auf 1.600 Höhenmetern angekommen wird Roland Aicher ausnahmsweise von der gesamten Familie Lindner begrüßt. Für die drei Töchter stehen die Ferien kurz bevor, für Aicher mit der Abfahrt von der Hochalm der schwierigste Teil der Tour. Die flüssige Ladung schiebt den Truck förmlich bergab. Der Lkw-Fahrer bremst, schaltet am Lenkrad, schlägt ein. Der HydroDrive des TGS, die hydraulisch angetriebene Vorderachse, gibt dem „Almtruck“ den nötigen Halt bergab und die notwendige Traktion bergauf. Die Lebensversicherung auf den wenig befestigten Wegen, auf denen Roland Aicher mit dem Truck gegen die Schwerkraft rangiert.
Im Tal in Fieberbrunn angekommen, pumpt der Fahrer die frisch abgeholte Milch in einen Anhänger um, der während der Almtour unten stehen bleibt. Ohne Gewicht im Tank packt der „Milli-Fahrer“ die letzte der drei Almen an. Am frühen Nachmittag kommt er mit dem Almtruck, Anhänger und der Milch hoch aus den Bergen auf den Hof der Molkerei in Piding. Roland pumpt die gesammelte Milch ab, reinigt noch den Bergbauernmilch-MAN und freut sich auf seinen Feierabend im Garten. Auch die Kühe von den beiden Bergbauern denken jetzt am Tagesende wieder ans Rausgehen. „Die kühlen Fallwinde am Abend in den Bergen lieben’s einfach. Da stehen sie dann nicht freiwillig vorm Stall, da muss ich schon schauen, dass ich sie wieder reinkrieg‘“, lacht Thomas Bachler. Der Landwirt liebt es, mit seiner ganzen Familie den Sommer auf der Alm zu verbringen. „Da heroben schlaft man ganz anders, so richtig guad“ – wenn auch nur bis 4 Uhr morgens.
Die Qualitätskontrolle und Lieferkette für Milch ist effizient wie nie. Die Milchsammel-Lkw der Molkerei Berchtesgadener Land sind mit Edelstahl-Tankaufbauten und einer computergesteuerten Sauganlage ausgerüstet. Der Tank hat mehrere Kammern, sodass jede Milchsorte separat transportiert wird. Bei der Einsaugung erkennt die Anlage per digitaler Übertragung automatisch die entscheidenden Daten. Dazu zählen die Lieferantennummer des Landwirts, die Menge und Sorte der Milch (Bergbauernmilch, Bioalpenmilch, konventionelle Milch) sowie die Milchtemperatur.
Von jeder Milch wird eine Probe gezogen. So wird vor dem Abladen der Milch in der Molkerei die Qualität engmaschig kontrolliert. Pro Tag transportieren die Milchsammelwagen der Molkerei rund eine Million Liter Milch zum Sitz der Genossenschaft nach Piding. Per GPS werden die Daten der Milch automatisch ins System der Molkerei übertragen. Jede Milchlieferung wird sortenrein verarbeitet und je nach Milchprodukt in Flaschen oder Karton abgefüllt.
Im bayerischen Raum liefert die Molkerei ihre Erzeugnisse mit eigenen Lkw aus. Speditionen bringen die Bergbauernmilch in den Lebensmittelhandel in Norddeutschland, die Bio-Milch auch nach Österreich, Italien, Spanien, Griechenland und in die Benelux-Länder. Die Molkerei Berchtesgadener Land ist seit 1927 als Genossenschaft organisiert. Eigentümer sind die rund 1.700 Landwirte zwischen Watzmann und Zugspitze entlang der Alpennordseite.
Text: Susanne Wendt
Fotos: Molkerei Berchtesgadener Land