13.12.2023
Anfang Oktober 2023 hat MAN den ersten vollelektrischen Komplettbus für den afrikanischen Markt ausgeliefert. Der Lion’s Explorer E wurde an die lokalen Anforderungen angepasst und vor Ort gefertigt.
Wer in Südafrika zur Arbeit fahren will, nimmt dafür meist den Bus. Darum sind „Commuter“-Busse dort auch das größte Marktsegment – und nicht Stadtbusse wie in Europa. Seit Neuestem können die Menschen aus der Umgebung von Kapstadt sogar lokal emissionsfrei zu ihrem Arbeitsplatz und wieder nach Hause kommen: Anfang Oktober 2023 hat MAN dort seinen ersten vollelektrischen Komplettbus für den afrikanischen Markt ausgeliefert.
Basis des Fahrzeugs vom Typ Lion’s Explorer E ist das neue Lion’s Chassis E, das ab 2024 in Serie gehen soll. „Unser Weg führt von Low Emission zu No Emission“, so Alexander Vlaskamp, CEO von MAN Truck & Bus. „Um das zu erreichen, setzen wir im Stadtbus-Segment mit dem Lion’s City E in Europa vollständig auf Elektromobilität – und weltweit tun wir es mit dem Lion’s Chassis E. Denn unsere Verantwortung für eine nachhaltige Mobilität endet nicht an den Grenzen Europas.“ Aufbauhersteller aus aller Welt erhalten mit dem Lion’s Chassis E die ideale Basis für ihre vollelektrischen Modelle und können dadurch weltweit emissionsfreie Busse anbieten.
Für den südafrikanischen Markt hat das Engineering Team von MAN in Südafrika einige Modifikationen am Lion’s Chassis E vorgenommen. „Die Straßen hier sind teilweise nur Sandpisten, und nach starkem Regen können sich sehr große Pfützen bilden“, berichtet Jan Aichinger, Managing Director von MAN Truck & Bus South Africa. „Deshalb müssen die Busse geländegängig sein und dürfen auch auf den schwierigen Pisten niemals aufsitzen.“ Der Lion’s Explorer E ist als Hochboden-Fahrzeug mit Stufen für den Einstieg ausgelegt. Dadurch wird der eBus allerdings recht hoch, weswegen die vier Batterie-Packs mit je 80 kWh zwischen den Achsen unter dem Fußboden untergebracht wurden – und nicht auf dem Dach, wie in Europa. Das sorgt für einen tiefen Schwerpunkt.
Neben den Anpassungen am Chassis hat MAN auch den kompletten Aufbau des eBusses übernommen, wofür das Bus-Werk in Olifantsfontein verantwortlich war. Auch hier gibt es eine landestypische Besonderheit: Weil die Commuter-Busse bis zu 100 Kilometer pro Strecke zurücklegen, müssen alle Passagiere einen Sitzplatz haben. Darum hat der eBus eine kompakte 3+2-Bestuhlung, die bei zwölf Meter Länge Platz für 66 Fahrgäste bietet. „Das war ein anspruchsvolles Projekt, das unser hoch motiviertes Engineering-Team in kürzester Zeit erfolgreich abgeschlossen hat – immerhin hatten wir nur 18 Monate Zeit für die Anpassungen am Chassis und den Aufbau“, so Aichinger. „Außerdem haben wir es geschafft, dass trotz aller Veränderungen keine neue Homologation des Antriebsstranges erforderlich war, sondern die bestehende Homologation auch in Südafrika verwendet werden konnte.“
In Südafrika waren zwar bereits Elektrobusse anderer Hersteller unterwegs. „Das Besondere am MAN Lion’s Explorer E ist allerdings, dass er speziell für den Einsatz hier entwickelt wurde“, betont auch Barbaros Oktay, Head of Bus bei MAN Truck & Bus. Zudem wird das neue Modell vollständig in Südafrika gebaut. „So können wir gewährleisten, dass der eBus die Bedürfnisse der hiesigen Verkehrsunternehmen perfekt erfüllt und sich gleichzeitig zudem bestmöglich in bestehende Prozesse integrieren lässt“, so Oktay. „Gelingt das, wird die Elektromobilität in Südafrika deutlich an Fahrt aufnehmen – davon sind wir überzeugt.“
Der erste Schritt ist nun getan: Gemeinsam mit Oktay und Aichinger übergab Vlaskamp persönlich das Fahrzeug an das Unternehmen Golden Arrow Bus Services (GABS) – was GABS zum ersten eBus-Kunden von MAN außerhalb Europas macht. Seitdem ist der Lion’s Explorer E im Rahmen eines Feldversuchs unter realen Bedingungen rund um Kapstadt unterwegs. „Bisher gab es keine besonderen Auffälligkeiten – nur eine erfreuliche Überraschung: Der Lion’s Explorer E verbraucht weniger Energie, als wir erwartet hatten“, berichtet Aichinger.
Das Nachladen der Energiespeicher ist dank des speziellen Einsatzprofils der Commuter-Busse kein Problem: Zwischen den Fahrten im Berufsverkehr morgens und abends werden sie in der Regel nicht eingesetzt und können in dieser Zeit problemlos nachgeladen werden – am besten mit Solarstrom. GABS hat darum seine Werkstatthallen und Abstellplätze mit Photovoltaik-Modulen ausgestattet. Doch selbst bei Bezug von Strom aus dem öffentlichen Netz rechnen sich die eBusse, trotz fehlender Förderung vom südafrikanischen Staat. „Diesel ist hier im Vergleich zu Strom deutlich teurer“, rechnet Aichinger vor. „Der Umstieg auf eBusse macht sich darum innerhalb von zehn Jahren bezahlt.“
MAN Truck & Bus ist mit rund 40 Prozent Marktanteil der Marktführer im Busgeschäft in Südafrika. Ziel ist es, künftig auch bei den Elektroantrieben diese Position zu erreichen. „Wir tun alles dafür, dass der neue eBus in Südafrika so gut ankommt wie unser Lion’s City E in Europa mit bereits über 1.000 produzierten Einheiten“, sagt Oktay. Zudem ist das Lion’s Chassis E auch für andere Länder Afrikas interessant. Es spricht also nichts dagegen, dass bald viele elektrische Löwen auf dem Kontinent unterwegs sind.
Text: Christian Buck
Fotos: MAN