MAN Truck & Bus

„Es geht vielmehr um soziale Interaktion und Teambildung, als nur um Sprache“

Porträt von Mohit Kumar Garg

29.11.2023


Mohit Kumar Garg ist Controls Engineer in der MAN-Zentrale in München und als solcher in die Entwicklung des autonomen Fahrens eingebunden. Im Rahmen der Projekte ANITA und ATLAS-L4 ist er für die Funktionsprüfung und die Software der Lenkradsteuerung zuständig. Mohit stammt ursprünglich aus Sonipat, einer Stadt in Indien, die etwa eineinhalb Stunden von Neu-Delhi entfernt liegt. Für sein Masterstudium zog er 2015 nach Deutschland und kam 2018 zu MAN – zunächst als Praktikant, danach für seine Masterarbeit und später als Doktorand. In diesem Interview erzählt er uns, wie es für ihn war, mit nur wenig Deutschkenntnissen in Deutschland zu arbeiten, und wie er es trotzdem geschafft hat, sich in das Team und das neue Arbeitsumfeld einzufügen.

Mohit, was waren für dich am Anfang die größten Unterschiede zwischen Deutschland und Indien – ganz allgemein und bei der Arbeit?

Mohit: Als ich 2015 in Aachen ankam, um meinen Master in Fahrzeugtechnik zu machen, war das Wetter eine der größten Umstellungen. Anders als in meiner Heimat ist es in Deutschland deutlich kühler und es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen Jahreszeiten.

Das Arbeitsumfeld habe ich in Deutschland insgesamt als entspannter wahrgenommen, als ich es gewohnt war. Gleichzeitig gibt es strengere Regelungen, beispielsweise zur Arbeitszeit, die dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden mehr Zeit für sich selbst haben und Beruf und Privatleben besser vereinbaren können.

Was sind deiner Meinung nach die größten Unterschiede zwischen Indern und Deutschen?

Mohit: Das ist schwer zu beantworten, wenn man bedenkt, wie groß die Vielfalt der Sprachen, Kulturen und Traditionen in Indien selbst ist.

Ein Unterschied, den ich festgestellt habe, ist die kulturelle Einstellung zu Pünktlichkeit und Organisation. Die Deutschen sind für ihre Pünktlichkeit und Effizienz bekannt, während es in Indien nicht so üblich ist, zum Beispiel genau zur vereinbarten Zeit zu erscheinen. In der deutschen Arbeitskultur wird großer Wert auf Termintreue und die Einhaltung von Fristen gelegt, während in Indien Flexibilität in Bezug auf Zeitpläne stärker ausgeprägt ist.

Warst du mit Vorurteilen konfrontiert?

Mohit: Leider hatte ich seit meiner Ankunft in Deutschland mit Vorurteilen zu tun, die auf Stereotypen beruhen. Beispielsweise gehen die Leute häufig davon aus, dass ich als Inder als Informatiker arbeiten muss. Dieses Klischee ignoriert die Vielfalt der Berufe und Tätigkeiten, die Menschen aus Indien ausüben können. Auch wenn es harmlos erscheinen mag, trägt es zu einer eingeschränkten Wahrnehmung der indischen Fachkräfte bei.

Auch hatten meine Frau und ich Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Wohnung. Obwohl wir beide als Ingenieure gut verdienen, haben wir erlebt, dass wir insbesondere von älteren Vermietern als Mieter abgelehnt wurden. Diese Ablehnungen können auf Voreingenommenheit oder Vorurteile zurückgeführt werden, die manche Menschen haben.

Die Konfrontation mit diesen Vorurteilen kann entmutigend und frustrierend sein. Sie erinnert daran, dass Stereotypen und Vorurteile in der Gesellschaft fortbestehen, selbst im beruflichen und privaten Umfeld. Mir ist jedoch wichtig, zu erwähnen, dass diese Erfahrungen keinesfalls meinen Blick auf die Menschen in Deutschland bestimmen. Ich habe in dieser ganzen Zeit auch viele aufgeschlossene und gastfreundliche Menschen kennengelernt, die meine Freunde, Kollegen und Nachbarn geworden sind. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass ich mich in einem völlig fremden Land wie zu Hause fühle.

Um zum Arbeitsumfeld zurückzukommen: Wie kommt die interkulturelle Zusammenarbeit bei der Arbeit dir und deinen Kolleginnen und Kollegen zugute?

Mohit: Die interkulturelle Zusammenarbeit ermöglicht zum einen den Austausch verschiedener Perspektiven und Ideen. Jede Person bringt ihren eigenen kulturellen Hintergrund, ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit, was unsere Diskussionen und Problemlösungsprozesse bereichert. Diese vielfältigen Denkansätze führen oft zu innovativeren Lösungen und Herangehensweisen.

Darüber hinaus fördert die interkulturelle Zusammenarbeit das kulturübergreifende Verständnis und Lernen. Durch die enge Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kulturkreisen erhalten wir Einblicke in die jeweiligen Bräuche und Arbeitsweisen. So konnte ich Einblicke in die indischen Traditionen geben und umgekehrt viel über die deutsche Kultur lernen. Dieses Verständnis fördert gegenseitigen Respekt und Wertschätzung, baut Stereotypen ab und schafft dadurch ein inklusiveres Arbeitsumfeld.

Foto von Mohit Kumar Garg vor dem Hintergrund von indischen Motiven

Vielfältige Denkansätze führen oft zu innovativeren Lösungen und Herangehensweisen.

Mohit Kumar Garg

Am Anfang konntest du nicht viel Deutsch. Wie war es, mit nur wenig Sprachkenntnissen bei MAN in München zu arbeiten?

Mohit: Als ich zu MAN kam, waren meine Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1, aber ich hatte immer noch Schwierigkeiten, die Sprache fließend zu sprechen und zu verstehen. Ich hatte jedoch das Glück, dass mein Vorgesetzter gut Englisch sprach und mich von Anfang an unterstützte. Wir vereinbarten, wichtige Besprechungen auf Deutsch zu führen, damit ich die Sprache besser lerne.

In den ersten sechs Monaten war es für mich schwierig, den Besprechungen zu folgen, und ich habe nur wenig verstanden. Mein Team war jedoch verständnisvoll und versuchte, mir die Dinge auf unterschiedliche Weise zu erklären. Sie sprachen langsamer und wiederholten die Informationen. Dank der Motivation des Teams und des offenen Umgangs miteinander konnte ich meine Deutschkenntnisse schnell verbessern.

Außerdem glaube ich, dass es beim Arbeiten mit begrenzten Deutschkenntnissen nicht nur um die Sprache ging, sondern auch um soziale Interaktion und Teambildung. Trotz der Sprachbarriere war ich entschlossen, Beziehungen zu meinen Kolleginnen und Kollegen aufzubauen und offen mit ihnen zu reden. Dadurch entstand ein motivierendes und kooperatives Arbeitsumfeld, in dem ich mich gut einbringen konnte.

Welchen Rat würdest du internationalen Kolleg*innen wie dir geben, wenn sie bei MAN in Deutschland frisch einsteigen?

Mohit: Ich kann einige Punkte teilen, die mir auf meinem Weg geholfen haben.

Es ist wichtig, bei Teamveranstaltungen aktiv dabei zu sein. Diese bieten die Möglichkeit, Kolleginnen und Kollegen in einem informelleren Kontext kennenzulernen und persönliche Beziehungen aufzubauen. Außerdem sollten sie sich an Gesprächen beteiligen und echtes Interesse daran zeigen, die Leute kennenzulernen. Enge Beziehungen innerhalb des Teams sind eine gute Voraussetzung für ein unterstützendes und kooperatives Arbeitsumfeld.

Ich rate auch, die Initiative zu ergreifen und auf verschiedene Personen im Team zuzugehen und sie nach ihrer Arbeit, ihren Projekten und Interessen zu fragen. Neugierde zu zeigen und sich auf Gespräche einzulassen, hilft dabei, eine Beziehung aufzubauen und einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Als Gesprächsanlass können gemeinsame Interessen oder besondere Fähigkeiten dienen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Sprache: Es lohnt sich, Zeit und Mühe in das Erlernen der deutschen Sprache zu investieren. Schon ein Grundverständnis der Sprache kann die Kommunikation und die Integration in das Arbeitsumfeld erheblich verbessern. Es zeigt die Bereitschaft, sich an die lokale Kultur anzupassen, und erleichtert die Interaktion mit deutschsprachigen Kolleginnen und Kollegen.

Zudem sollten kulturelle Unterschiede akzeptiert und mit Offenheit begegnet werden. Deutschland hat seine eigene Arbeitskultur. Jemand, der diese kulturellen Nuancen versteht und respektiert, kann sich besser in das Team integrieren. Deshalb ist es ratsam, Bereitschaft zum Lernen und zum Anpassen zu zeigen und die Vielfalt der Perspektiven und Ansätze zu schätzen.

Zum Schluss rate ich allen, sich Unterstützung zu suchen und Vorgesetzte oder Kolleginnen und Kollegen um Rat zu fragen. Sie können wertvolle Einblicke geben und dabei helfen, sich im Arbeitsumfeld zurechtzufinden, Prozesse zu verstehen und sich an die Organisationskultur anzupassen. Sofern möglich, ist es gut, einen Mentor oder eine Mentorin zu haben, da das für die berufliche Entwicklung von großem Nutzen sein kann.

Diese Punkte haben mir geholfen, gute Beziehungen aufzubauen, meine Sprachkenntnisse zu verbessern und mich effektiv in das Team und das Arbeitsumfeld bei MAN in Deutschland zu integrieren.


MAN auf dem Weg zum autonomen Truck: die Projekte ANITA und ATLAS

Fahrerloser Lkw auf der Autobahn

MAN Truck & Bus, Knorr-Bremse, Leoni und Bosch wollen im Projekt ATLAS-L4 (Automatisierter Transport zwischen Logistikzentren auf Schnellstraßen im Level 4) gemeinsam mit dem Anbieter für automatisierte Logistik Fernride und dem Test-Tool-Hersteller BTC Embedded Systems bis Mitte dieses Jahrzehnts erstmals autonom fahrende Lkw auf der Autobahn zum Einsatz bringen. Die Fraunhofer-Gesellschaft, die Technische Universität München (TUM) und die Technische Universität Braunschweig begleiten das Projekt wissenschaftlich, TÜV SÜD und Autobahn GmbH bringen ihr Know-how mit Blick auf die praktische Umsetzbarkeit und den Freigabeprozess ein. Das Projekt startete im Januar 2022 und endet im September 2024.

Autonome Lkw verbessern die Sicherheit im Verkehr, können dazu beitragen, Staus durch vorausschauende Planung zu reduzieren und Einsatzzeiten zu optimieren. Zugleich fahren autonome Lkw gleichmäßiger, was sie kraftstoffeffizienter und somit umweltfreundlicher macht. Automatisierte Abläufe entlang der Lieferkette – beispielsweise auf Betriebshöfen, an Umschlagsplätzen oder zwischen Logistikzentren – entlasten Fahrerinnen und Fahrer und können dazu beitragen, das Berufsbild attraktiver zu machen.

Lkw-Beladung im Container-Depot

Ebenfalls mit autonom fahrenden Trucks beschäftigt sich das Projekt ANITA (Autonome Innovation im Terminalablauf). In Ulm Dornstadt lassen Deutsche Bahn, MAN Truck & Bus, die Hochschule Fresenius und die Götting KG auf dem Container-Depot von DB Intermodal Services und dem DUSS-Terminal (Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene-Straße mbH) vollautomatisierte Lkw selbstständig bewegen.

Der Kombinierte Verkehr – die Verknüpfung von Straße, Schiene und oder Wasser – gehört zu einem der stärksten Wachstumsmärkte im gesamten Güterverkehr. Das Projekt ANITA ist ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zur Automatisierung des gesamten Transportprozesses. Es startete im Juli 2020 und hat eine Laufzeit von 39 Monaten.

Text: Renate Wachinger

Fotos: MAN

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