MAN Truck & Bus

So macht MAN seine e-Busse sicher

Rettungskräfte schlagen die Windschutzscheibe eines MAN-Busses ein

26.10.2022


Bei der Entwicklung seiner Elektro-Flotte steht das Thema Sicherheit für MAN über alle Schritte hinweg an erster Stelle. Dazu hat das Unternehmen ein „House of Safety“ entwickelt, um alle Sicherheitsthemenfelder abzudecken.

Die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen sind bei MAN unter einem Dach gebündelt. Sie betreffen die Entwicklung, die Qualität der Bauteile, die Produktion – und reichen selbst bis zum unwahrscheinlichen Fall eines Unfalls. „Wir haben elf Säulen mit Bezug auf die eMobility-Sicherheit definiert. Jeder dieser Bereiche wird durch ein MAN Team von Sicherheitsexperten nachverfolgt“, erklärt Frank Kienast, Program Manager eMobility Bus bei MAN Truck & Bus. Die erste Säule umfasst die funktionale Sicherheit, das „House of Safety“ wird aber zudem noch von den Säulen Arbeitssicherheit, der aktiven und passiven Sicherheit oder der Produktionssicherheit gestützt.

  • 3.500 Mitarbeiter in Starachowice wurden im Umgang mit Batterien und Hochvoltkomponenten geschult.
  • 3-fach geprüft sind die Batterie-Komponenten zu unterschiedlichen Assembly-Stufen.
  • 800 Volt beträgt die maximale Spannung in Pkw und Nutzfahrzeugen.

Sicherheit selbst bei Bus-Überschlag

Mithilfe von Simulationen, umfangreichen Crash-Tests mit Fahrzeug und Batterie sowie Bus-Überschlagstests gemäß ECE-R66 wird die passive Sicherheit der E-Fahrzeuge abgesichert. Ein besonderes Augenmerk liegt natürlich auf den Batteriepacks: Bei der Elektrifizierung seiner Fahrzeuge greift MAN auf ausgereifte Batteriezelltechnologie aus dem Konzernbaukasten zurück, was die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Batterien gewährleistet.

Die Batteriemodule des Elektrobusses MAN Lion’s City E sind speziell für Nutzfahrzeuge entwickelt und insbesondere hinsichtlich Zuverlässigkeit, Robustheit und Sicherheit optimiert, erprobt und freigegeben. „Wir kontrollieren nicht nur die Sicherheitsaspekte unserer eigenen Produktion, sondern auch bei Komponenten von Zulieferern“, sagt Kienast. Dabei werden die Komponenten gleich dreifach zu verschiedenen Zeitpunkten der Produktion getestet: Strenge Kontrollen beim Zelllieferanten sichern in einem ersten Schritt die Qualität der Batteriezellen. „Es folgen eine zweite Begin-of-Line-Prüfung der einzelnen Module – und zuletzt ein End-of-Line-Test für jedes einzelne Batteriepack“, so Kienast. Diese sind wiederum sicher oben im Dach verbaut und schon dadurch besonders vor Kräfteeinwirkungen bei üblichen Auffahrunfällen geschützt.

Rettungsdienste testen die Sicherheit im Ernstfall

Im Ernstfall: Durch die kontinuierliche Zusammenarbeit von MAN mit der Feuerwehr wissen Rettungskräfte genau, was zu tun ist.

eBus-Sicherheit kontinuierlich verbessert

Die relevanten Soft- und Hardwarekomponenten sind mit entsprechenden Sicherheitskonzepten abgesichert. Für den Lion's City E Elektrobus wurden verschiedene Sicherheitsstandards verwendet, darunter die Entwicklung nach ISO 26262. Ein Beispiel ist die Absicherung des Ladevorgangs. "Frühwarnsysteme schalten bei einem Temperaturanstieg oder einer systembedingten Anomalie sofort alle relevanten Hochspannungsfunktionen einschließlich des Ladevorgangs ab", so Kienast. Auch hier steht die Sicherheit an erster Stelle. "Die Abschaltung aller Hochspannungskomponenten ist für die relevanten Fehlerfälle mit entsprechenden Sicherheitskonzepten abgesichert", so Kienast.

Ab dem Modelljahr 2023 wird eine zusätzliche Sicherheitsstufe eingeführt. Dabei wird eine Warnung an das Backend des Kunden übermittelt, damit dieser schnellstmöglich reagieren und Maßnahmen ergreifen kann, also die Feuerwehr alarmiert und weitere Busse aus dem Depot fährt. "In Zukunft wollen wir unseren Kunden ermöglichen, dass die eBusse automatisch ein Warnsignal an die zuständige Feuerwehr übermitteln", sagt Kienast. Die eBusse werden dann mit Warnleuchten und Hupen auf eine Gefahrensituation aufmerksam machen. So ist für die Mitarbeiter und die Rettungsdienste sofort ersichtlich, welcher Bus ein Problem hat.

"Unser Ziel ist es, einen thermischen Runaway zu vermeiden", sagt Kienast. Das ist das schlimmstmögliche Ergebnis in der Elektromobilität. Als Thermal Runaway bezeichnet man eine seltene Kettenreaktion, die theoretisch bei einem Brand in der Batterie eines Elektrofahrzeugs auftreten kann. Im schlimmsten Fall frisst sich der thermische Runaway über einen sehr langen Zeitraum von Zelle zu Zelle und führt dazu, dass das Fahrzeug in Brand gerät. "Das ist bei einem MAN eBus noch nie passiert", betont Kienast. "Damit das auch so bleibt, wurden die möglichen Risiken oder Fehlerursachen genau analysiert und mit entsprechenden Sicherheitskonzepten abgesichert."

Grafik, die das ganzheitliche Sicherheitskonzept für BEVS mit 11 verschiedenen Komponenten zeigt

Enge Kooperation mit Kunden und Feuerwehr

Als absoluten Worst Case betrachtet eMobility-Experte Kienast daher die Entgasung von Batterien: Um im unwahrscheinlichen Fall eines Thermal Runaway die Passagiere bestmöglich zu schützen, erfolgt eine kontrollierte Entgasung der Batterien, welche mittels zusätzlicher Maßnahmen eine Ableitung in den Außenbereich des Busses sicherstellt. „Hier ist eine enge Kooperation mit unseren Kunden wichtig, die eine Kohlenmonoxid-Meldeanlage in ihren Busdepots brauchen“, so der Experte. Durch die kontinuierliche und enge Zusammenarbeit von MAN mit der Feuerwehr bei der Erstellung von Rettungsleitfäden wissen Rettungskräfte im Falle eines Unfalls zudem genau, was zu tun ist.

Porträt von Frank Kienast

Unser Ziel ist, dass es zu keinem Thermal Runaway kommt.

Frank Kienast – Program Manager eMobility Bus, MAN Truck & Bus

Drei Fragen an....

Ist das Laden von eBussen gefährlicher als bei Autos?

Nein, bei elektrischen Pkw und Bussen werden bis zu 800 Volt elektrische Spannung eingesetzt. Somit geht keine erhöhte Brandgefahr durch höhere Spannungen aus. Die Ströme, insbesondere die aus Zellsicht gesehenen Stromraten (C-Rate), sind bei unseren Bussen deutlich geringer als bei Pkw. Das führt auch zu deutlich geringeren Temperaturen beim Laden. Daraus resultiert tendenziell eher eine geringere Brandgefahr als bei Pkw.

Brennen eBusse schneller als elektrische Autos?

Ein einzelnes Batteriepack im Lion’s City E hat in etwa den gleichen Energiegehalt wie in einem E-Auto. Die Batteriepacks in unseren elektrischen Bussen sind einzeln für sich abgesichert und damit ist die Brandgefahr, die von den Batterien ausgehen, sogar etwas geringer als bei einem Pkw. Natürlich ist die gespeicherte Energiemenge in einem Bus höher, damit könnte im Havariefall mehr Energie freigesetzt werden. Das ist aber heute schon bei Vergleichen zwischen Pkw und Bussen der Fall: Die gespeicherte Energie in Bussen, egal ob in Form von Diesel, Wasserstoff oder einer elektrochemischen Batterie, bringt prinzipiell immer ein Gefahrenpotenzial mit sich.

Welche Vorkehrungen haben Sie bei MAN selbst getroffen?

In der Vorbereitung der Busproduktion in Starachowice wurden Anlagen neu angeschafft oder erweitert, Prozesse neu gedacht und rund 3.500 Mitarbeiter zu dem Umgang mit Batterien und Hochvolt-Komponenten intensiv geschult. Wir haben zudem mit der Werksfeuerwehr eine Einsatztaktik erarbeitet. In unserer Versuchswerkstatt in München haben wir das Abstellen der Fahrzeuge auf sogenannten Boards erfolgreich getestet: So können sie schnellstmöglich weggefahren werden, selbst wenn die Feststellbremse angezogen ist.


Text: Julien Wilkens

Fotos: MAN

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