28.10.2022
Viel Energie in kurzer Zeit: Das brauchen vollelektrisch angetriebene Schwerlast-Lkw wie der neue MAN eTruck bei ihren Ladestopps. Die Lösung heißt Megawatt-Laden. Marcel Hessel ist als Head of Charging bei MAN Truck & Bus verantwortlich für die Serienentwicklung von Ladesystemen, darunter das neue Megawatt Charging System (MCS).
MARCEL HESSEL: Noch werden Elektro-Lkw hauptsächlich von einem Depot aus eingesetzt. Schon bald aber wird sich die Anwendung der batteriebetriebenen Trucks immer mehr in den Bereich Fernverkehr verlagern. Unsere Kunden sind kostenorientiert, für sie sind Lkw ein Wirtschaftsgut. Wenn diese stehen, verlieren sie Zeit. Und Zeit ist im Speditionsgeschäft Geld.
MARCEL HESSEL: Das Ziel orientiert sich an den gesetzlichen Vorgaben. Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer müssen nach spätestens viereinhalb Stunden eine Lenkzeit-Pause von 45 Minuten einlegen. In dieser Zeitspanne sollte der Energiespeicher ihres E-Trucks durch das Megawatt-Laden wieder voll werden.
MARCEL HESSEL: MCS funktioniert mit einer Spannung von bis zu 1.250 Volt und nutzt einen eigenen Stecker. Der entscheidende Unterschied aber ist die Ladeleistung. Beim CCS sind es maximal 375 Kilowatt, beim MCS sind es 750 bis 1.000 Kilowatt in einer ersten Ausbaustufe. Theoretisch sind sogar bis zu 3,75 Megawatt möglich, woher das System auch seinen Namen hat. Das braucht man unter Umständen später für Reisebusse, die mit höherer Geschwindigkeit fahren und wenig Zeit zum Aufladen haben. Aber auch ein eTruck muss seine Batterie zügig füllen können.
MARCEL HESSEL: Die größte Herausforderung ist die Zeit. Schon 2024/25 wird der neue eTruck auf der Straße sein. Bis dahin wollen wir ein robustes, zuverlässiges System für unsere Kunden entwickelt haben. Technisch gesehen sind vor allem die Ladekommunikation inklusive der Interoperabilität, aber auch die thermischen Verluste – also der Energieverlust durch Wärme beim Laden – und die Standardisierung herausfordernd.
MARCEL HESSEL: Wir brauchen im Transportsektor einen verbindlichen, einheitlichen Standard. Es kann nicht jeder Nutzfahrzeughersteller sein eigenes Süppchen kochen.
MARCEL HESSEL: Ein wichtiger Partner ist ABB E-Mobility, ein weltweit führender Anbieter von Ladelösungen und Spezialist für Megawatt-Laden. Daneben ist MAN als Teil der TRATON GROUP Mitglied in einem Joint Venture mit mehreren Industriepartnern. Dieses hat sich den Aufbau eines europäischen Hochleistungsladenetzes mit 1.700 Ökostrom-Ladestationen zum Ziel gesetzt. Außerdem sind wir seit ein paar Jahren in der Task Force „Charin“ zum Thema Laden mit fast 70 Industrieunternehmen engagiert.
MARCEL HESSEL: Ja, schon bald. Im Projekt HoLa, Abkürzung für „Hochleistungsladen“, werden Anfang 2024 entlang der Autobahn A2 an vier Standorten jeweils zwei Ladepunkte mit dem Megawatt Charging System aufgebaut und im Logistikbetrieb getestet. Zwei Standorte befinden sich direkt an der Autobahn, zwei in Logistikzentren. MAN ist neben weiteren Lkw-Herstellern einer von mehr als 20 Partnern aus Industrie und Wissenschaft sowie des Fraunhofer Institutes für System- und Innovationsforschung unter Förderung des Bundesverkehrsministeriums.
MARCEL HESSEL: Vermutlich werden 2025 in der EU rund 11.000 Ladepunkte für Lkw nötig sein, 2030 wahrscheinlich schon weit mehr als 40.000. Und dabei sollte möglichst keine Fläche verloren gehen, denn Lkw-Stellplätze sind bekanntlich schon jetzt äußerst knapp. Daher sind intelligente Rastplatzlayouts und Ladeinfrastrukturumsetzungen nötig – inklusive Unterstützung aus der Politik zur Schaffung der nötigen Rahmenbedingungen wie beispielsweise Flächenbeschaffung oder Genehmigungsverfahren.
MARCEL HESSEL: Ja, ich bin mir sicher, dass Trucks und Busse von MAN im Jahr 2025 ein funktionierendes und zuverlässiges Megawatt-Ladesystem nutzen können.
Text: Christian Jeß
Fotos: MAN / Getty Images